Die Gedenkstätte der Sozialisten

Nach Kriegsende, im Dezember 1945, beschloss der Berliner Magistrat auf Initiative Wilhelm Piecks, die Grabstätten von Sozialdemokraten und Kommunisten und das Revolutionsdenkmal „in ihrem ursprünglichen Zustand wiederherzustellen".

Gedenkkundgebung am 13. Januar 1946 in Friedrichsfelde, am Rednerpult Wilhelm Pieck. Zu dieser Feier, der ersten seit 1933, wurde aus einem Holzgerüst und Stoffplanen das Denkmal provisorisch nachgebildet. Bildarchiv SAPMO-BArch Y1-257/65

Im April 1946 wurde, unter starkem Druck auf die SPD in der Sowjetischen Besatzungszone und in Berlin die Vereinigung mit der KPD zur SED vollzogen, zu der es aber auch Zustimmung gab. Kurz darauf sprach sich die neue Partei dafür aus, die Gräber der Sozialdemokraten und Kommunisten in einem gemeinsamen Ehrenhain zusammen zu legen. Mitte 1947 schrieb der Magistrat einen Architekturwettbewerb für den Ehrenhain aus. Der Siegerentwurf kam jedoch nicht zur Ausführung. Die ersten Höhepunkte des Kalten Krieges - getrennte Währungsreform, Blockade der Westsektoren und schließlich die politische Spaltung der Stadt - beherrschten das Geschehen.

Den 1. Preis im Architekturwettbewerb für die Gedenkstätte erhielt der Entwurf von Gartengestalter Walter Rossow, Architekt Prof. Eduard Ludwig und Bildhauer Prof. Gustav Seitz. Der Preis wurde im Januar 1948 vom Preisgericht unter Vorsitz von Stadtrat Ernst Reuter (SPD) vergeben. Wilhelm Pieck (SED) war Mitglied des Preisgerichtes. Archiv Zentralfriedhof Friedrichsfelde

Im Ostteil Berlins wurde Friedrich Ebert jr. (SED) zum Oberbürgermeister berufen. An ihn wandte sich Wilhelm Pieck im Februar 1949 mit der Bitte, neu über die Grabstätte zu beschließen, da der Siegerentwurf nicht den Anforderungen von Massenkundgebungen entspräche. Der Magistrat betraute die Architekten Richard Jenner und Hans Mucke sowie den Gartenarchitekten Reinhold Lingner mit einem neuen Entwurf. Pieck behielt sich praktisch alle Entscheidungen vor: Von den Namenslisten der zu Ehrenden über die Beschaffenheit von Grabplatten und Gedenktafeln bis hin zur Bepflanzung.

Einweihung der Gedenkstätte der Sozialisten am 14. Januar 1951 zur traditionellen Luxemburg-Liebknecht-Feier. Es spricht Wilhelm Pieck, Staatspräsident der DDR.

Bildarchiv SAPMO-BArch Y1-1117-79

Die Gedenkstätte wurde am 14. Januar 1951 mit einer Ansprache Piecks eingeweiht. Links in der Ringmauer waren die historischen Grabmale der alten Sozialdemokraten integriert worden, rechts hingen 27 Aluminiumtafeln mit den Namen von politischen Opfern vor allem des Faschismus. Der freie Platz dazwischen war für Ehrengräber vorgesehen. Im mittleren Rondell lagen acht Grabplatten: für Karl Liebknecht, Rosa Luxemburg und Franz Mehring, für Franz Künstler und Rudolf Breitscheid, für Ernst Thälmann, John Schehr und Wilhelm Sült.

 

Am 22. Juni 1951 fand mit der Umbettung des 1950 verstorbenen Kurt Fischer, zuletzt Chef der DDR-Volkspolizei, die erste Urnenbestattung in der Ringmauer statt. 1954 wurden die sterblichen Überreste der kommunistischen Widerstandskämpfer John Schehr, Rudolf Schwarz, Erich Steinfurth und Eugen Schönhaar überführt. Alle vier waren nach brutalen Gestapoverhören am 1. Februar 1934 angeblich „auf der Flucht" erschossen worden. Schwarz, Steinfurth und Schönhaar wurden an der Mauer beigesetzt. 1960 starb Wilhelm Pieck und wurde im inneren Rondell neben Rosa Luxemburg bestattet.

Die Gedenkstätte 1952. Die Gedenkplatten in der Mitte um das Denkmal: vorne Liebknecht und Luxemburg, rechts Thälmann und Schehr, links Künstler und Breitscheid und hinten Mehring und Sült. Bis zuletzt hatte Wilhelm Pieck gehofft, den Sarg Karl Liebknechts aufzufinden. Aber lediglich der von Franz Mehring war erhalten geblieben. Unter die Grabplatten von Luxemburg, Liebknecht und Sült wurde symbolisch etwas Erde vom Grabfeld 64 gestreut. Künstler und Breitscheid sind auf anderen Friedhöfen bestattet. Neues Deutschland

Ende der sechziger Jahre waren nur noch wenige Urnenplätze in der Ringmauer frei. 1970 beauftragte das SED-Politbüro den Bildhauer Hans Kies, als Ersatz für die 27 Gedenktafeln eine große Tafel mit über 500 Namen zu schaffen, die 1971 angebracht wurde. Wenig später bettete man die Urne des 1964 verstorbenen Otto Grotewohl von der Ehrenmauer in das Rondell neben Wilhelm Pieck um. Die nunmehr 10 Grabplatten wurden radial zu dem Denkmal angeordnet. Auch Walter Ulbricht, der 1973 starb, wurde im Rondell beigesetzt. Dafür entfernte man die Platte für Wilhelm Sült. Dessen Name wurde nachträglich in die große Gedenktafel eingemeißelt. Als sich die völlige Belegung aller Grabstellen in der Ringmauer abzeichnete, wurde eine Erweiterung erforderlich. Geplant waren 15 Ergänzungsmauern, von denen 1976 je zwei rechts und links vor der Gedenkstätte errichtet wurden.

 

Der Charakter der jährlich wiederkehrenden Demonstration zum 15. Januar änderte sich mit der Zeit. Von dem Gedenken an die Toten der Arbeiterbewegung wurde sie mehr und mehr zu einer Selbstinszenierung der SED-Führung. Neben die freiwillige Teilnahme trat die verordnete. Aktuelle politische Losungen verdrängten das Totengedenken. Uniformierte „Kampfgruppen der Arbeiterklasse" bildeten den Abschluss der rituell-propagandistischen Aufmärsche. Mehrere Stunden zog die Menge an der Parteispitze vorbei, die Gräber blieben im Hintergrund.

</b>Januardemonstrationen zu Ehren von Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht. 1964, 1976, 1980, 1984, 1987 und 1993. <i>Bildarchiv SAPMO-BArch 1964: Y1-622/00; 1976: Y1-624/00; 1980: Y1-129/80; 1984: Y1-625/00; 1987: Y1-623/00; 1993: Neues Deutschland</i>

Spätestens seit der Umwandlung der SED 1948 in eine stalinistische „Partei neuen Typus" stand die offizielle Verehrung Rosa Luxemburgs im Widerspruch zu deren Partei- und Demokratieauffassung. Dies brachten erstmals bei der Januardemonstration 1988 Oppositionelle zum Ausdruck. Trotz drohender Repressionsmaßnahmen zeigten sie ein Transparent mit Rosa Luxemburgs Worten „Freiheit ist immer Freiheit der Andersdenkenden": Ein Protest, der auch im Ausland den wachsenden Unwillen in der Bevölkerung der DDR deutlich machte.

 

Seit 1990 steht die Ehrung der Toten wieder im Mittelpunkt der Januardemonstrationen. Tausende versammeln sich freiwillig zum Gedenken.


Transparent der DDR-Bürgerrechtler, aufgenommen bevor es auf der Januardemonstration 1988 nur kurz entfaltet werden konnte. Matthias-Domaschk-Archiv Berlin



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